Was hat Graffiti mit Protest und Widerstand zu tun?
Graffiti hat verschiedene Formen und Verwendungsweisen. Grundsätzlich kann zunächst zwischen Graffiti Writing und Wort-, Symbol- und Protest-Graffiti unterschieden werden. Bei Graffiti-Writing geht es vordergründig darum den eigenen Namen (bzw. natürlich ein Pseudonym) in Form von Tags im öffentlichen Raum zu verbreiten. Das heißt es geht darum diese Tags an möglichst vielen Orten, möglichst groß und/oder besonders technisch versiert anzubringen. Bei Wort-, Symbol- und Protest ist dagegen bereits im jeweiligen "Piece" eine explizite (und oft auch politische) Botschaft an Passant*innen enthalten.
Beide Formen des Graffiti werden mit Spraydosen, Lackstiften etc. meist illegal an Wände, Mauern, Stromkästen etc. im öffentlichen Raum angebracht. Bei Wort-, Symbol-, und Protest-Graffiti ist der Aspekt von Protest und Widerstand klar ersichtlich. Denn egal ob wir mit der entsprechenden Botschaft persönlich übereinstimmen, erkennen wir die jeweilige Haltung der Sprayenden und müssen uns zwangsläufig damit auseinandersetzen, wenn wir dran vorbeilaufen. Es handelt sich also um eine verhältnismäßig niedrigschwellige und vor allem anonyme Form der Meinungsbekundung im öffentlichen Raum, die vermutlich auch deswegen so gerne von Jugendlichen genutzt wird, die das Gefühl haben mit ihrer Meinung nicht ernst genommen oder nicht gehört zu werden. Allerding hat auch Graffiti-Writing eine Protest-Komponente, denn es geht hier um mehr als den Wettbewerb um das schnellere, häufigere und bessere Verbreiten des eigenen Pseudonyms. Es geht auch um eine symbolische Aneignung des öffentlichen Raumes und Fragen wie: Wem gehört die Stadt? Wer darf über ihr Erscheinungsbild entscheiden? Wer kann sich repräsentiert fühlen oder wer nicht?
Die Graffiti-Station beim Bildungsfestival
Bei unserem Bildungsfestival zum Thema Protest & Widerstand ging es uns darum mit Jugendlichen darüber ins Gespräch zu kommen was die Begriffe Protest & Widerstand für sie bedeuten. Was verstehen sie unter diesen Begriffen? Welche Rolle spielt dieses Verständnis davon in ihrem Alltag? Wo haben sie Berührungspunkte mit den Aspekten von Protest & Widerstand, die am Festival diskutiert und ausprobiert werden konnten? Wo haben sie Ergänzungen oder grenzen sich ab? Um über diese Fragen gemeinsam ins Gespräch zu kommen und dabei auch den Raum zum eigenen und natürlich legalen Ausprobieren zu geben, haben wir mehrere große Holzstellwände gebaut, die im Außenbereich des Farbenladens besprayt werden konnten. Betreut wurde die Station durch jeweils zwei junge Erwachsene, die technische Tipps und Hilfestellungen geben konnten, und zwei Pastinaken, die für die pädagogische Betreuung der Stationen zuständig waren. An der DIY-Station nebenan gab es außerdem z.B. die Möglichkeit Stencils (Schablonen aus Pappkarton) zu schneiden.
Die Station war während der Öffnungszeiten immer gut besucht, zum Teil mussten Personen sogar wegen der Hygienemaßnamen vorerst nochmal weggeschickt und auf einen späteren Zeitpunkt bzw. einen anderen Tag vertröstet werden. Manche Kinder und Jugendliche kamen auch im Verlauf des Festivals immer wieder. Manche kamen bereits mit einer Idee, manche haben erstmal Skizzen gemacht und überlegt und manche wollten erstmal einfach viel Farbe an die Wand bringen und hatten sichtlich Spaß dabei sich frei und verschwenderisch im Umgang mit den Spraydosen auszuprobieren. Grundsätzlich ist der Prozess des gemeinsamen Arbeitens an einem Projekt, das Erleben von Selbstwirksamkeit im eigenen Tun und die gemeinsame Erfahrung im praktischen, kreativen Handeln eine wunderbare Basis, um sich darüber auszutauschen und zu diskutieren. Denn das Ziel von politischer Bildungsarbeit sollte es unserem Verständnis nach sein, gemeinsam in einen Prozess des Nachdenkens und Sprechens zu kommen, der Jugendliche dazu anregt kritisch zu reflektieren und sich eine eigene Meinung und Haltung zu bilden.